Zur Geschichte der Gesellschaft für Theatergeschichte e.V.

Die Gesellschaft für Theatergeschichte kann auf eine über hundertjährige Geschichte zurückblicken.

1902-1919

Am 6. April 1902 wird auf Initiative des Publizisten und Chefredakteurs der Zeitschrift Bühne und Welt, Dr. Heinrich Stümcke, die Gesellschaft für Theatergeschichte gegründet. Zum Vorsitzenden wird der Universitätsprofessor Dr. Ludwig Geiger gewählt, Stümcke wird Schriftführer und der Verleger Georg Elsner Schatzmeister. Bereits im Februar 1903 gehören 370 Mitglieder der Gesellschaft an. Die persönlichen Mitglieder sind Wissenschaftler und Publizisten, Theatermitarbeiter, wie Intendanten, Regisseure, Schauspieler, aber auch Lehrer. Zu den 29 institutionellen Mitgliedern zählen die Library of Congress und die University of Yale sowie zahlreiche Hof- und Stadtbibliotheken. Ebenfalls 1903 erscheint mit Christian Heinrich Schmids Chronologie des deutschen Theaters, neu herausgegeben von Paul Legband, die erste Publikation der Gesellschaft. Zu Ehrenmitgliedern werden der Schauspieler Friedrich Haase (1905) und der Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen (1906) ernannt.

Zusammen mit der Ausstellungshalle GmbH am Zoologischen Garten veranstaltet die Gesellschaft vom 1. November 1910 bis zum 2. Januar 1911 die „Deutsche Theaterausstellung Berlin“, die mit Band 17 der Schriften von Heinrich Stümcke ausführlich dargestellt wird.

Bis 1918 hat die Gesellschaft 29 Schriften, 5 kleine Schriften und 45 Mitteilungen herausgegeben sowie 14 Privatdrucke veranlasst.

1919-1934

Am 14. Dezember 1919 wird der Begründer der Berliner Theaterwissenschaft, Prof. Dr. Max Herrmann, als Nachfolger für den verstorbenen Ludwig Geiger zum Vorsitzenden der Gesellschaft gewählt. Am 19. Januar 1923 stirbt Heinrich Stümcke. Zu seinem Nachfolger als Schriftführer wird Dr. Hans Knudsen, ein enger Mitarbeiter von Max Herrmann. Nach der Gründung des ersten deutschen Theaterwissenschaftlichen Instituts an der Berliner Universität am 10. November 1923 werden die umfangreichen theaterhistorischen Sammlungen der Gesellschaft als Dauerleihgabe in das Institut überführt. Zu Ehrenmitgliedern werden der Schauspieler und Theaterleiter Ludwig Barnay (1922), der Schauspieler Max Grube (1924) und der Regisseur und Theaterleiter Max Reinhardt (1930) ernannt. 1933 hat die Gesellschaft 332 Mitglieder.

Bis 1934 hat die Gesellschaft 16 Schriften, 2 kleine Schriften und 29 Mitteilungen herausgegeben sowie 22 Privatdrucke veranlasst.

1934-1945

Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wird Max Herrmann 1934 auf Betreiben der Vorstandsmitglieder Hans Knudsen und Georg Elsner durch den Vorsitzenden des deutschen Bühnenvereins und ehemaligen badischen Kultusminister Dr. Otto Leers ersetzt. 1935 hat die Gesellschaft 376 Mitglieder: 248 persönliche und 128 Institutionen. Nach der Auflösung des Deutschen Bühnenvereins tritt Otto Leers 1935 vom Vorsitz der Gesellschaft zurück. Zu seinem Nachfolger wird 1936 der Schriftsteller Wolfgang Goetz gewählt. 1939 stellt er sich nicht mehr zu Wahl. 1940 wird der preußische Minister Dr. Johannes Popitz zum Vorsitzenden der Gesellschaft gewählt. Es finden kriegsbedingt keine Mitgliederversammlungen mehr statt. In den letzten Kriegstagen stirbt der Mitbegründer und Schatzmeister der Gesellschaft Dr. Georg Elsner.

Von 1934 bis 1944 hat die Gesellschaft 10 Schriften und 16 Mitteilungen herausgegeben sowie 7 Privatdrucke veranlasst.

1950-2005

Unter dem Theaterleiter Dr. Kurt Raeck wird die Gesellschaft wiederbelebt; er übernimmt den Vorsitz bis 1976. Ihm folgt der Hamburger Professor für Theaterwissenschaft Dr. Diedrich Diederichsen. 1988 wird der Berliner Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Peter Sprengel Vorsitzender und ihm folgt 1994 bis 2005 der Erlanger Professor für Theaterwissenschaft Dr. Peter Schmitt.

Von 1950 bis Ende 1978 führt der Publizist Dr. Herbert A. Frenzel als Schriftführer die Geschäfte. Der Berliner Professor für Theaterwissenschaft Dr. Harald Zielske übernimmt bis 1997 dieses Amt als 1. Schriftführer. Ihm folgt für drei Jahre der Berliner Theaterwissenschaftler Dr. Matthias Braun und bis 2002 nimmt die Erlanger Theaterwissenschaftlerin Anja Hentschel diese Funktion wahr. Danach ist die Funktion einer Schriftführerin oder eines Schriftführers bis 2005 vakant.

Bis 1957 zeichnet der ehemalige Fabrikdirektor Walter Unruh als Schatzmeister für die Finanzen der Gesellschaft verantwortlich. Er wird von dem Kritiker und Herausgeber des Berliner Tagesspiegels Walther Karsch abgelöst, der dieses Amt bis zu seinem Tode 1975 wahrnimmt. Als erste Frau im Vorstand der Gesellschaft übernimmt die Theaterwissenschaftlerin Bärbel Rudin 1976 dieses Amt und führt es bis 1994. Sie wird von dem Theaterwissenschaftler und Oberkustos der Theatersammlung des Berlin Museums und später der Stiftung Stadtmuseum Berlin, Dr. Lothar Schirmer, abgelöst, der wiederum bis 2014, also ganze zwanzig Jahre die Geschäfte der Gesellschaft in finanzieller Hinsicht führt.

1976 werden zu Ehrenmitgliedern ernannt: Dr. Friedrich Michael, Wiesbaden, Prof. Dr. Alois M. Nagler, New Haven, Connecticut, Dr. Maximilian Schochow, Berlin. 1998 wird das langjährige Vorstandsmitglied Prof. Dr. Harald Zielske zum Ehrenmitglied ernannt.

Zwischen 1950 und 2005 erscheinen 25 Bände der Schriften der Gesellschaft sowie 35(!) Kleine Schriften.

Seit 2005

2005 wird der Theaterwissenschaftler Paul S. Ulrich zum Vorsitzenden gewählt und bleibt dies bis zu seinem Tode im Oktober 2023. Sein Nachfolger ist der Theaterwissenschaftler Dr. Wolfgang Jansen. Zum ersten Schriftführer fungiert seit 2005 der Theaterwissenschaftler Stephan Dörschel. Dr. Lothar Schirmer bleibt bis zu seinem Rücktritt 2014 erster Schatzmeister und wird dann von dem Bauingenieur und Theaterwissenschaftler Dr. Ralf Schuster, der bis dahin als zweiter Schatzmeister fungierte, abgelöst. 2021 übernimmt der Theaterwissenschaftler Carsten Jung diese Funktion. Die Funktion einer zweiten Schriftführerin übernimmt die Jenaer Theaterwissenschaftlerin Dr. Andrea Heinz. Für Dr. Ralf Schuster rückt 2014 der Theater- und Tanzwissenschaftler Frank-Rüdiger Berger nach. Zur Mitgliederversammlung im Jahre 2016 tritt Andrea Heinz zurück und Frank-Rüdiger Berger übernimmt ihre Funktion als 2. Schriftführer. Für die Funktion der 2. Schatzmeisterin wird die Theaterwissenschaftlerin Lea-Sophie Schiel gewählt, 2022 übernimmt die Veranstaltungs- und Musikagentin Petra S. Hildebrand-Wanner und ab 2023 die Wiener Theaterwissenschaftlerin Magret Berger (mit dem Vorstandsmitglied Frank-Rüdiger Berger weder verwandt noch verschwägert).

2014 wird das langjährige Vorstandsmitglied Dr. Lothar Schirmer zum Ehrenmitglied ernannt.

Erstmals seit dem Ende der 1990er Jahre wird für 2016 der Wissenschaftliche Ausschuss wieder besetzt. Der Vorstand beruft die Lehrstuhlinhaber der theaterwissenschaftlichen Institute in Köln und Berlin, Prof. Dr. Peter W. Marx und Prof. Dr. Matthias Warstat zusammen mit Stephan Dörschel und Frank-Rüdiger Berger für den Vorstand zu dessen Mitgliedern und Peter W. Marx zu dem satzungsgemäßen Geschäftsführer. Ab 2017 werden die Lehrstuhlinhaber der theaterwissenschaftlichen Institute in Berlin und Wien, Prof. Dr. Matthias Warstat und Prof. Dr. Stefan Hulfeld berufen. Von 2018 bis 2022 gehörte für den Vorstand Dr. Lea-Sophie Schiel dem Wissenschaftlichen Ausschuss an, 2023 Carsten Jung und ab 2024 Magret Berger. Seit 2017 fungiert Stephan Dörschel als Geschäftsführer.

Bereits kurz nach Amtsübernahme des 2005 gewählten neuen Vorstands wird die Internetpräsenz der Gesellschaft online geschaltet. Von 2009 bis 2017 wird nahezu jährlich ein Förderpreis an auszeichnungswürdige Magister- oder Masterarbeiten vergeben. 2020 wird er auf Anregung des Wissenschaftlichen Ausschusses in den Max-Herrmann-Dissertationspreis umgewandelt und zum ersten Mal an Senad Halilbašić verliehen. Eine fünfköpfige Jury, paritätisch von Vorstand und Wissenschaftlichen Ausschuss besetzt, die eine fünfte Person bestimmen, wählt aus den eingereichten Arbeiten die preiswürdigste aus. Die Verleihung findet seitdem beinahe jährlich im Rahmen einer Feierstunde im Vortragssaal des Institutes für Theaterwissenschaft der FU Berlin direkt vor der Mitgliederversammlung statt. Er ist heute zu einer festen Institution in der Theaterwissenschaft geworden.

Ebenfalls 2009 starten im Winterhalbjahr an vier Freitagabenden die Gesellschaftsabende, die jeweils einen Vortrag, eine Präsentation oder ein Gespräch zu einem theaterhistorischen Thema mit einem geselligen Zusammensein zunächst im Restaurant Tucher am Brandenburger Tor, seit November 2015 im Veranstaltungsraum des Vereins Kulturvolk | Freie Volksbühne Berlin e.V. verbinden.

Seit 2017 stellt sich die Gesellschaft für Theatergeschichte auch mit einem Stand beim alljährlichen Sommerfest von Kulturvolk | Freie Volksbühne Berlin dem Berliner Theaterpublikum vor, wirbt für sein Anliegen und präsentiert seine Publikationen.

2007 und 2014 organisiert die Gesellschaft Colloquien. 2007 lädt sie die theaterhistorisches Quellenmaterial sammelnden Institutionen Berlins in die Akademie der Künste ein und 2014 lädt sie zusammen mit dem Theaterwissenschaftlichen Institut der Freien Universität zu Berlin WissenschaftlerInnen ein, über das Fortwirken der Ideen Max Herrmanns zu reflektieren. Die Gesellschaft gedenkt 2024 ihres verstorbenen Vorsitzenden Paul S. Ulrich mit einem Colloquium zu seinem Werk, das in Kooperation mit der Thalia Germanica (Gesellschaft zur Erforschung des deutschsprachigen Theaters im Ausland) und dem Don Juan Archiv Wien in deren Räumlichkeiten in Wien stattfand. 

2017 findet zum ersten Mal in Kooperation mit der Arbeitsgruppe Theaterhistoriographie der Gesellschaft für Theaterwissenschaft am Institut für Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin ein DoktorandInnen-Colloquium statt, das einmal mehr die angestrebte engere Verbindung der Gesellschaft für Theatergeschichte mit der Theaterwissenschaft dokumentiert. Die Kooperation wird seitdem erfolgreich fortgesetzt.

2024 erscheint eine Festschrift im Andenken an den verstorbenen Vorsitzenden Paul S. Ulrich, die eigentlich zur Feier seines 80. Geburtstages gedacht war, und die Gesellschaft publiziert einen umfangreichen Quellenband zu Conrad Ekhof, herausgegeben von Carsten Jung, als Band 83 der Schriftenreihe - zum ersten Mal im Ergon Verlag Baden-Baden und damit in einem anerkannten Wissenschaftsverlag. 

Auch die Tradition der Privatdrucke wird 2014 zum Max-Herrmann-Colloquium und 2022 zum 120jährigen Bestehen der Gesellschaft fortgesetzt.
 

Stephan Dörschel